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Gesprächsanalyse
- Searle: Sprechakte sind die "grundlegenden oder kleinsten Einheiten der sprachlichen Kommunikation"
- Aber: ★Wir reden nicht in einzelnen satzförmigen Äusserungen mit jeweils klar erkennbarer Illokution ★Kommunikation funktioniert nicht nur durch hörerseitiges Erkennen von Sprecherillokutionen. Hörer gestalten Gespräche mit ★Wissen über Äusserungssituation und Hintergründe können nicht einfach vorausgesetzt werden
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Gespräch
= alltägliche, mündliche Kommunikation zwischen zwei oder mehr Personen
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Gesprächsanalyse
- Gespräch als linguistische Kategorie erst seit den 70er Jahren akzeptiert
- Heute zahlreiche theoretische Ansätze und unüberschaubar viele Arbeiten zur Erforschung von Gesprächen
- Die wichtigsten Impulse gingen von der ethnomethodologischen Konversationsanalyse aus (Erving Goffman, Harvey Sacks, Harold Garfinkel)
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Warum Gesprächsanalyse?
- Das Alltagsgespräch ist das primäre Umfeld, in dem Sprache erworben, verwendet und verändert wird
- Primärer Untersuchungsgegenstand der empirischen Linguistik muss daher das Alltagsgespräch sein
- Sprachbetrachtung: Sprache als Phänomen der Alltagspraxis
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Gesprächsanalyse: Konsequenzen für das linguistische Verständnis
- A) Untersuchungsgegenstand ist die empirisch vorkommende Sprachproduktion in ihrer kontextgebundenen Manifestation
- B) Sprache wird als Mittel der Kommunikation verstanden = funktionaler Ansatz
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Gesprächsanalyse: Konsequenz für die Methodik
- Korpora als primäre linguistische Datenbasis
- Gesprächsanalyse folgt einer rekonstruktiv-interpretativen Methodik
- Methodik muss den universalen und konsitutiven Strukturmerkmalen des Untersucungsgegenstandes entsprechen
- Die Konstitutionsprinzipien von Gesprächen dienen umgekehrt auch als Rekonstruktionsprinzipien
- d.h.: Verwendung der Konstitutionsprinzipien von Gesprächen als Analysekategorien
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Universale Konstitutionsprinzipien von verbaler Interaktion
- Begriffserklärung:
- Universal bedeuted, dass die Prinzipien konstitutiv für jede Gesprächsaktivität sind, und zwar in dreierlei Hinsicht
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Universal bedeuted, dass die Prinzipien konstitutiv für jede Gesprächsaktivität sind, und zwar in dreierlei Hinsicht:
- Material: Die Prinzipien müssen von allen Beteiligten realisiert und respektiert werden, damit ein Gespräch zustande kommen kann
- Konzeptuell: Nur Ereignisse, die orientiert an diese Prinzipien erzeugt werden, können als "Gespräche" bezeichnet werden
- Askriptiv: Die Beteiligten gehen möglichst lange davon aus, dass die Gesprächsaktivitäten im Einklang mit diesen Prinzipien entstehen und zu verstehen sind.
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Die 5 universalen Organisationsprinzipien der verbalen Interaktion
- 1. Konstitutivität
- 2. Prozessualität
- 3. Interaktivität
- 4. Methodizität
- 5. Pragmatizität
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Konstitutivität
- Gespräche bestehen aus Handlungssequenzen, die aktiv von den Akteuren produziert werden
- Gesprächsteilnehmer konstituieren Strukturen - grundsätzlich undeterminiert, aber von Regeln, Routinen und Erwartungen geleitet
- Generativität und Produktivität aller natürlichen Sprachen: Sprachbenützer können aufgrund von Regeln und Maximen systematisch immer neue Strukturen produzieren und interpretieren
- Die Herstellung dieser Strukturen muss sinnlich wahrnehmbar (material) sein
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Prozessualität
- Sprachliche Strukturen werden in der Gesprächsanalyse als Produkte von Prozessen aufgefasst
- Prozessualität ist Voraussetzung des Aufbaus von Strukturen und damit der sukzessiven Sinnkonstitution
- Erst die zeitliche Dynamik schafft die Möglichkeit von Interaktion
- Garfinkel (1973): Prinzio der 'prospektiv-retrospektiven Interpretation'
- Im Gesprächsverlauf bilden sich emergente Einheiten und Muster heraus, indem die Anschlusspotentiale der aufgebauten Strukturen für die Produktion weiteren Beiträge genutzt werden
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Interaktivität
- Interaktivität als wesentliche Quelle vo Emergenz
- Gespräche bestehen aus Handlungssequenzen, die systematisch aneinander anschliessen
- Die Anschlüsse sind aufgrund normaler situtativer Komplexität kaum je vollständig vorhersagbar
- Da Gespräche ein gemeinsames Handeln in der Zeit sind, sind verschiedene Konstitutionsaufgabe erforderlich
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Interaktivität - Konstituationsaufgaben
- Adressatenzuschnitt/Rezipientendesign: Aufgabe, die Beiträge auf den/die konkreten Adressaten zuzuschneiden. Berücksichtigungen von Aufmerksamkeitsfokus, Vorwissen, anzunehmenden Meinungen, Interessen, Interpretationsgepflogenheiten etc.
- Handlungskoordination: Die Beiträge der versch. Teilnehmer müssen zeitlich und qualitativ koordiniert werden. Formale Grundlage dafür ist das Sprecherwechselsystem. Es regelt die Verteilung der knappen Ressourcen "Rederecht" (Gestik, Blickkontakt, Prosodie, Syntax)
- Aufzeigehandlung/display: Interaktive Bedeutung wird in der Abfolge von ausgedrückten Interpretationen ausgehandelt. ->Aufzeigen der Erwartung an das Verständnis der Partner und ihre Folgeaktivitäten; ->Aufzeigen des Verständnisses der Äusserungen der Partner; ->Spezialisierte Verfahren zur Verständnissicherung: Rezeptionssignale (hm, ähä, etc.), Reperaturen, Reformulierungen, insertierte Sequenzen
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Methodizität
- Gesprächsprozesse verlaufen alles andere als unsystematisch und chatotisch!
- Zahlreiche "ungrammatische" Phänomene werden in Gesprächen systematisch eingesetzt und haben Verfahrenscharakter
- Ethnomethoden: sprach- und kulturspezifische Methoden zur Herstellung von Ordnung und Sinn, die durch Sozialisation erworben werden. Ihre Beherrschung macht den Kern der Gesprächskompetenz aus. Ethnomethoden haben einen normativ-rhetorischen Doppelcharakter. Die unterliegen einerseits bestimmten Erwartungsstrukturen, können aber andererseits auch zweckgerichtet eingesetzt werden
- Durch Konventionen (wie bspw. Ethnomethoden) kann Gesprächspraxis aber nur grdauell und mit unscharfen Genzen reguliert werden.
- ->Formalpragmatische Idealisierungen à la 'Kooperationsprinzip und Konversationsmaxien' oder 'Relevanzprinzip' sind daher ihr notwendiges Pendant, weil sie Methodizität a priori unterstellen
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Pragmatizität
- Die Gesprächsanalyse betrachtet Sprache nicht nur als Mittel der Informationsvermittlung, sondern als Werkzeug sozialen Handelns
- Ständig werden verschiedene Funktionsbereiche des sprachlichen Handelns von den Gesprächsteilnehmern bearbeitet
- Sprachliche Phänomene stehen stets in mehrdimensionalen Funktions- und Zweckbezügen
- Aufgrund der Handlungsorientiertheit wird die Formulierungspraxis von Relevanz- und Ökonomieprinzipien strukturiert
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